Er hatte sich ein Handy gekauft. Saß am Küchentisch und packte es aus. Bedienungsanleitungen liebte er und las sich gleich darin fest. Was die alles können. Diese modernen Geräte. Sogar eine Kamera war dabei. Von einer durchsichtigen Plastiktüte geschützt lag es hier auf dem Tisch. Sein erstes Handy. Während er die Möglichkeiten studierte. Mit einer guten Tasse Kaffee.
„Stecken Sie die Sim-Karte … Zunächst laden Sie den Akku … Dazu stecken Sie das Netzteil …” Was für eine Sprache. Aber als Ingenieur kannte er das. Auch wenn es lange her war. Opa braucht ein Handy. Hatte der Enkel gesagt. Und hier lag es nun. „So schreiben sie eine SMS …“ Er griff nach der Tasse und trank einen Schluck. Nicht mehr sehr heiß. „So machen sie Fotos und kleine Videofilme …“ Der Verkäufer war gut. „Mit diesem Gerät sind Sie auf jeden Fall für die Zukunft gerüstet.“ Hatte der gesagt. „So nehmen Sie Anrufe entgegen …“ Telefonieren kann man damit also auch, dachte er und leerte grinsend die Tasse. Im Radio spielten sie Bach.
„Probleme und Lösungen …“ Es war dunkler geworden. Er stand auf und machte das Licht an. Ging zur Kaffeemaschine und füllte die Tasse nach. Dann setzte er sich wieder, nahm das Handy und rieb mit dem Daumen über das Plastik. Raus damit. Sim-Karte rein. Es war ganz einfach. Netzteil angeschlossen und ab an den Strom. Jetzt schon einschalten? Die Bedienungsanleitung gab grünes Licht und er schaltete ein. Ein lustiger Ton erklang. „Pin-Code eingeben …“ Erledigt. Bunte Bilder. Gestochen scharf. Er tastete sich durch das Menu. Nicht ganz so leicht. Aber mit der Anleitung ging’s. „Datum und Uhrzeit einstellen …“ Gestellt.
„Kamera … Video …“ Da sah er den Küchentisch im Display. Gute Qualität sogar. Er fuhr auf die Kaffeetasse. Sie war leer. Schwenkte auf die Küchenuhr. Drückte die Aufnahmetaste. Es piepste. Schließlich richtete er die Kamera auf sich selbst.
„Hallo Welt. Ich bin noch da.“ Cut.
Das war was. Er schaute auf das Display. Wie kann man sich das jetzt ansehen? Hier. Küchenuhr. Tick, tack. Hallo Welt. Ich bin noch da. Er grinste. Küchenuhr. Hallo Welt. Ich bin noch da. Was für ein Quatsch. „Kamera … Foto …“
Er stand auf und schoss ein Bild von der Kaffeemaschine. Gar nicht mal schlecht. Das Netzkabel störte. Darum legte er das Handy zurück auf den Tisch. Soll erst mal laden. Rennt ja nicht weg. Er ging zum Vorratsschrank, nahm eine Dose Erbsensuppe und öffnete sie. Ab in den Topf. Den Herd auf 4. Einmal gut umgerührt. Etwas Salz dazu. So wird es schmecken. Umgerührt. Warten. Draußen waren die Laternen angegangen. Er schnitt zwei Scheiben Brot. Nahm einen Teller aus dem Regal und stellte ihn auf die Platte neben dem Topf. Die Suppe begann zu blubbern. Umrühren und abschmecken. Nicht heiß genug. Er goss sich ein Glas Milch ein. Stellte es auf den Tisch, legte das Brot dazu und kostete noch mal an der Suppe. Gleich fertig. Den Herd auf 0. Einen Löffel aus der Schublade. Die Suppe dampfte. Er lud den Teller voll, ließ die Kelle im Topf und setzte sich. Eine Scheibe Brot tunkte er ein. Pustete kurz und nahm einen Bissen. Es war gut. Für ein Dosengericht gar nicht so schlecht. Natürlich nicht so gut, wie Erbsensuppe von Hilde. Aber Hilde war tot. Und so ging es auch.
Er sah auf das Handy. Mit diesem Gerät sind Sie auf jeden Fall für die Zukunft gerüstet. Das werden wir sehen. Er nahm es. Lag gut in der Hand. Schön schlank und nicht zu klein. Solide Verarbeitung. Elegantes Design. Dieser Vertrag ist wie für sie gemacht, hatte der Verkäufer gesagt. Damit können sie sofort loslegen. Und der Enkel wird staunen. Er drückte ein paar Tasten. Hallo Welt. Ich bin noch da. Was für ein Blödsinn. Obwohl er sich gefiel. Als Schauspieler. Die Kamera liebt dich. Dachte er und schob einen Löffel Suppe in den Mund. Die war nicht mehr sehr heiß. Einen Schluck Milch hinterher. Die zweite Scheibe Brot. Damit kratzte er die Reste vom Teller. Leerte das Glas. Und glaubte es kaum. Im Radio lief ganz leise Rachmaninov. Hallo Welt. Ich bin noch da. – Cut.
© Ulrich P. Hinz
Foto von Tyler Lastovich