Gedankenschleuder (11.03.2022)

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11.03.2022

Eigentlich ist es ganz einfach. Und das macht es so schwer. Das könnte daran liegen, dass wir uns immer in einer Situation befinden. Ohne Situation geht es kaum voran. Aber das ist meistens ein Hirngespinst. Ich lache dann immer heimlich in meinen Bart. Aber nur so lange, wie er nicht rasiert ist. Das ergibt zwar keinen Sinn. Soll es aber. Damit es Bedeutung bekommt. Die Welt braucht Bedeutung. Ohne Bedeutung keinen Sinn. Das ist alles fürchterlich kompliziert. Nehmen wir an, A sagt B. C versteht D. Und verbreitet xyz. Das kann man sich nicht leisten. Nicht mit der angeblichen Reinheit der Sprache. Oder Sprachin. Wie es immer öfter heißt. Und die meisten Gott sei Dank das Kotzen kriegen. Und das ist gut so. Es wird viel zu wenig gekotzt in diesem Land. Das macht zwar oberflächlich betrachtet einen guten Eindruck. Aber unter der Haut brodelt es. Das muss hingenommen werden. Dafür wird in Deutschland überall gebaut. Das ganze Land ist eine einzige Baustelle. Überall hämmert und bohrt, feilt und dröhnt es. Es fiept und ziep und piept und der brave Autofahrer, der mittlerweile einen Kredit für seine Tankfüllung aufnehmen muss, wird blockiert. Da sind große Männer mit orangenen Westen. Und die schauen böse aus ihren windgegerbten Gesichtern. So als Vorbote, was kommen könnte. Und die meisten haben Schiss. Das bleibt nicht aus. Kann auch alles andere als ausbleiben. Man sieht, je nach Satzwahl kommt ein völlig anderer Rhythmus zustande. Auf den Karussells der Kirmes wird einem manchmal schlecht. Ich habe das nie verstanden. Aber darum habe ich auch gleich im hohen Bogen um die Ecke gekotzt. Das hat viel Zeit erspart. Und sparen ist gut. Das hat man uns als Kind beigebracht. Das haben wir verinnerlicht. Und nun wird sparen strafbar. Es kostet Geld. Und es wird noch viel mehr Geld kosten, wenn es kein Geld mehr gibt. Nur noch irgendwelche Zahlen auf einem Computerbildschirm. Und der Bankmann oder die Bankmännin schauen darauf und schütteln mit den Köpfen. Ts, ts, ts, sagen sie dann. Oder o du meine Güte. Und der brave Sparer sitzt ihnen gegenüber und fängt an zu weinen. Windet sich und bettelt. Aber da ist nichts mehr zu machen, würde ein Arzt sagen. Und die müssen es wissen. Und dann werden Auto, Haus und zuletzt die Seele verpfändet. Und erst dann ist man frei. Wirklich frei. Auf der Straße, wo sie dann zu tausenden wimmeln werden, sind sie frei. In die Suppenküche für Arme kommt man dann allerdings nur, wenn man geimpft ist. Die anderen bleiben draußen. Müssen draußen bleiben. Wie das süße Bild, das damals an den Eingängen der Metzger klebte. Es wird eine wunderbare Zeit. Darum baut man ja auch schon einmal vor. Damit alles schön ist. Und die Straßen genügend Anreiz geben, nicht gleich vor das nächste Auto zu springen. Etwas Stil muss sein. Und so ein Auto ist ein empfindliches Gebilde. Das man in Ehren hält. Und das man an Sonntagen manchmal fahren kann. Wenn man es sich leisten kann. Aber das werden kaum noch Menschen sein. Und darum kann es uns egal sein. Das wird man erst alles noch lernen müssen. So wie die Mathematik damals in der Schule. Die ich nie gelernt habe. Du bist zu dumm dazu. Das musste man einsehen. Das war aber nur der Zwang. Ich wollte diese Scheiße nicht lernen. Schon damals wusste ich, dass ich diese ganze Gleichungs- und Wurzelscheiße niemals in meinem Leben brauchen würde. Eine der besten Ausreden überhaupt. Man muss sich nur die passenden Ausreden zurechtlegen, dann geht alles. Wirklich alles. Sogar ein Krieg ist drin. Sogar nach all den Erfahrungen. Die natürlich nur noch die wenigsten Bürger haben. Man hat brav gewartet, bis die meisten, die diesbezügliche Erfahrungen hatten, tot waren. Dann ist es ganz leicht. Dann ist es ganz einfach. Ein Feind ist schnell gefunden. Die Herzen werden von der Propaganda kriegsreif geschossen. Und dann geht es wieder los. Es ist doch herrlich. Und wieder einmal ist der Krieg der Urvater aller Dinge. Ja, sie hatten recht. Sie haben immer schon recht gehabt. Aber darüber hat man nur gelacht. Im besten Fall müde gelächelt. Und das hat alles andere überdauert. Daher werden wir wieder marschieren. Im Gleichschritt und einerlei. Mit wilden Kampfmusiken und Rumtata. Während die anderen, die nicht mehr können, auf den Straßen schlafen. Und gegebenenfalls als Panzerfutter einfach auf die Fahrbahnen geworfen werden. Zwanzig Minuten vorbei. Gott sei Dank.

© Ulrich P. Hinz

Foto von Ekaterina Belinskaya

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