Gedankenschleuder (02.07.2022)

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02.07.2022

Absolutismus. Digitaler Absolutismus. Ich weiß nicht, was das bedeuten soll. Ich kann mir darunter nichts vorstellen. Der Sonnenkönig ist tot. Es lebe der Sonnenkönig. Warum werde ich das nicht begreifen wollen. Digitaler Absolutismus. Das kann nicht sein. Und es darf nichts sein, was nicht sein kann. Aber es wird sein. Dessen bin ich mir sicher. Auch wenn ich nicht weiß, was es ist. Wie es sich anfühlen wird. Und wenn ich tatsächlich nur eine Null oder eins bin. Ich kann es nicht sagen. Will es nicht sagen. Stehe stattdessen in einer sonnigen Ecke am Hofe des Königs. Schaue mir die Inszenierung an und begreife es dennoch nicht. Wir sind auf diese Welt gekommen und es hat den Anschein, als könnten wir sie nicht mehr verlassen. Darauf haben sie gewettet. Und der klägliche Versuch, muss zwangsläufig scheitern. Digitaler Absolutismus. Jeder Atemzug gezählt. Jedes noch so lächerliche Gut, das ich konsumiere. Jede einzelne Gefühlsregung. Die Summe meiner Gedanken. Das Ausmaß meiner Gedanken. Wir werden gedacht. Man macht uns denkend im nichtdenken. Das könnte in den kühnsten Träumen niemand nachvollziehen. Aber das ist auch gut so. Denn alles andere wäre so etwas wie ein Virus. Und dagegen gibt es Programme. Die man sich natürlich teuer bezahlen lässt. Aber was ist mit dem digitalen Absolutismus, wenn der Strom ausfällt. Aber vermutlich ist der Mensch an sich dann so durchprogrammiert, dass er es eine Weile aushält. Auch ohne den Strom. Und die Menge wird um das Goldene Kalb tanzen. Und die Flammen werden den Strom ersetzen. Wir nehmen alles. Und geben so wenig. Das könnte sogar funktionieren. Digitaler Absolutismus. König Louis wäre stolz. Er wird sich lachend in seinem Grab herumwälzen. Und die Feste würden größer und prunkvoller sein, als er sich das selber jemals hätte vorstellen können. Denn auch ein König hat nur eine begrenzte Vorstellungskraft. Im Gegensatz zu Computern. Wir werfen unsere verbrauchten Seelen einfach ab. Wie eine Haut, die sich die Schlange abstreift. In dem sicheren Wissen, dass schon eine neue da sein wird. Und bin ich nur eine Null oder eine eins. Ich weiß es nicht. Woher sollte ich das auch wissen. Die Programmstrukturen werden es nicht so leicht machen. Und selbst der beste Hacker wird seine Probleme damit haben. Denn wenn die Einfältigkeit der Menschen erst einmal an ihr Ende gekommen sein wird, ist der Rest ganz leicht. Wir werden alle tanzen. Und es wird uns große Freude bereiten. Natürlich wird es kalt sein. Und unsere Herzen wurden durch glühende Kohlen ersetzt. Aber das ist nur ein kleineres Übel. Damit haben wir zu leben gelernt. Das hat schon der König gewusst. Und er hat sich brav durch die Wälder geschlagen. In denen wir nach etwas Ausschau halten. Nur haben wir vergessen, was genau es ist. Und darum ist unsere Suche auch nicht wirklich von großen Anstrengungen begleitet. Denn etwas zu finden, was man letztendlich gar nicht finden will, macht großen Spaß. Darin sind wir geübt. In jahrzehntelanger Anstrengung wurde wir darauf vorbereitet. Aber dann kommt es über Nacht. Und wir sind völlig damit überfordert. Und obwohl wir uns glücklich fühlen, bleibt ein Rest von Zweifel, den man nicht ausrotten kann. Schon Descartes hatte das bedacht. Hatte sich seine Gedanken darüber gemacht. Ich denke also bin ich. Nur das Denken wird in großen Vermutungen stecken bleiben. Man schafft es einfach ab. Oder verbietet es. Digitaler Absolutismus ist nicht das, worauf wir warten. Aber das stört uns nicht weiter. Viertel Stunde vorbei. Gott sei Dank!

 

© Ulrich P. Hinz

Foto von Ekaterina Belinskaya

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