Gedankenschleuder (17.06.2022)

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17.06.2022

Mir ist kalt. Heute sollen es 27 Grad werden und ich friere. Meine Gefühle sind wie in einem Raumschiff, das durch ein Universum gleitet. Bei ganz langsamen Bewegungen kann man es am besten spüren. Wie unter Wasser. So wie eine Muräne sich tanzend fortbewegt. Und ich bin genau dazwischen. Aber davon lassen wir uns nicht aufhalten. Es ist fast unmöglich, uns aufzuhalten. Aber das wissen nur die wenigsten. Und das ist gut so. Sei auf alles vorbereitet und verhalte dich unauffällig. In wie vielen Systemen hat das schon funktioniert. Und es werden immer mehr. Darum wird man eines Tages auf unsere Zeit zurückblicken und sagen, wow, da haben wir aber noch einmal Glück gehabt. An das Glück wird sich natürlich niemand mehr erinnern können. Aber das ist vollkommen normal. Wenn man ein Raumschiff ist, das durch irgend ein Universum schwebt, hat man gut Lachen. Alles andere wird sich finden. Aber die Masse wird es nicht stören. Wie heißt es so schön, ihr werden nichts mehr besitzen und glücklich sein. Nur wird man sich an das Glück nicht erinnern können. Aber das ist eine unwesentliche Nebensächlichkeit. Und diejenigen, die tatsächlich so etwas wie Glück noch in ihrem Bücherregal stehen haben, lesen nicht. Vielleicht auch, weil es verboten ist. Oder die guten Bücher einfach verbrannt wurden. Das kann man heute nicht mehr nachvollziehen. Und digital ist alles möglich. Alles und nichts. Was für herrliche Zeiten. Und wenn wir dann mal eine Schachtel Zigaretten kaufen, klingelt ein Alarm bei der Krankenkasse. Dann kommt der erhobene Zeigefinger und sagt du, du, du. Dann wird der Mist wieder teurer. Aber die meisten werden sich sowieso keine Zigaretten mehr leisten könnten, weil sie das Geld für trockenes Brot sparen müssen. Leben ist manchmal wichtiger als Genuss. Aber davon wollen sie nichts hören. Man wird uns allen ein herrliches Gefängnis bereiten. Eine Zelle für jeden. Und die anderen werden uns bewachen und dafür sorgen, dass wir nicht abhauen. Das war immer schon so. Nur waren die Delikte andere. Aber im Laufe der Zeit wandelt sich halt alles. Und die Moral ist ein gummiähnliches Konstrukt, dass von den führenden Moralisten einer bestimmten Zeit ausgelegt und interpretiert wird. Daraus ergeben sich dann die Umstände, unter denen wir gedeihen. Bis zu einem gewissen Grad. Nur selten darüber hinaus. Das kann man in fast jedem Geschichtsbuch nachlesen. Und nur, weil mir kalt ist, heißt das noch lange nicht, dass es an der Umgebung liegt. Oder an den Menschen. Nein, es heißt einfach gar nichts. Und der große Meister, ist ein Meister aus Deutschland. Sie trinken es früh usw. Wer könnte das vergessen. Bei genauerer Betrachtung jeder. Ja, jeder wird es vergessen und Celan wird wieder nichts bleiben, außer dem Suizid. Aber das wissen wir natürlich alle. Zumindest die meisten von uns. Vielleicht auch nur ein paar wenige. Aber das spielt bekanntlich keine große Rolle. Denn davon abgesehen, müssen wir uns auf den Krieg vorbereiten. Und nur, weil etwas mehr als ein halbes Jahrhundert Ruhe war, heißt das noch lange nicht, dass wir Deutschen den Krieg nun abgeschafft hätten. Und selbst wenn, man wird uns entsprechend erziehen und alles ist gut. Aber darum mach ich mir keine Sorgen. Denn so sicher wie das Amen in der Kirche werden wir neue und alte Feinde ausmachen. Und die Kirche wird dann wieder Waffen segnen. Es werden herrliche Zeiten. Und wenn Corona dann als Ausrede vorbei ist, haben wir den Krieg. Was könnte es Besseres geben. Wir lachen ja den ganzen Tag. Also kann es da kaum etwas Besseres geben. Und das ist uns durchaus bewusst. Und möglicherweise ist mir deshalb so kalt. Obwohl sie 27 Grad angekündigt haben. Ich bin mir nicht sicher. Ich weiß es nicht. Viertel Stunde vorbei. Gott sei Dank!

© Ulrich P. Hinz

Foto von Ekaterina Belinskaya

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