Es war ein Montag
Anton Hübner lag tot in seinem Bett. Der Morgen drohte. Neben ihm schlummerte, in süßen Träumen versunken, seine Frau. Die Uhr tickte vor die geschlossenen Jalousien. Es war ein Dienstag. Else Hübner ließ einen genüßlichen Schnarchton erklingen und drehte sich auf die andere Seite. Anton Hübner war immer noch tot, und die Uhr tickte um ihn herum. Vor den Fenstern gebar die Welt einen neuen Tag; der Wecker würde gleich klingeln. Seine Frau grunzte. Speichel floß auf ihr Kopfkissen. Anton Hübner schwieg, als der Wecker seine Arbeit aufnahm. Schlaftrunken prügelte die Frau auf den pflichtbewußten Gesellen ein, gab ihrem Mann einen Kuß auf die Stirn und ging ins Bad. Sorgfältig erledigte sie ihre Morgentoilette und kleidete sich an. Ihrem Mann einen Abschiedskuß zuwerfend, verließ sie das Haus. Der neugeborene Tag verstrich langsam aber stetig. Er wurde älter. Gegen Abend kehrte Else Hübner zurück, bereitete das Abendmahl und setzte sich anschließend vor den Fernseher. Der Tag starb, als sie ins Bad ging und sorgfältig ihre Abendtoilette erledigte. Der letzte Blick in den Spiegel war zufriedenstellend. Sie schlurfte ins Schlafzimmer, gab ihrem Mann einen Kuß auf die Stirn und kuschelte sich in ihre Bettdecke. Bald schon schlummerte sie in süßen Träumen. Die Uhr tickte vor die geschlossenen Jalousien. Anton Hübner lag tot in seinem Bett. Es war ein Mittwoch.
© Ulrich P. Hinz
(Aus: Gegen alle Hoffnung)
Foto: Amber_Avalona