Ein Sommerspaziergang (Kurzprosa)

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07.06.2018

Der Sommer klebte über der Stadt. Sein Weg führte ihn durch Straßen, in denen die Luft stand. So müssen sich Fische im Aquarium fühlen. Dachte er. Die Schweißtropfen auf seiner Stirn gaben ihm recht. Es war seine Stadt. Und er hatte sich verlaufen. War hier noch nie gewesen. Häuserschluchten wie aus einer anderen Welt. Schmutzige Häuser. Schmutzige Straßen. Der Bürgersteig war ein Meer aus Taubenkot. Die parkenden Autos sahen nicht besser aus. Ein Ziel hatte er nicht. Wenn man ein Ziel hat, ist es wesentlich schwerer, sich zu verlaufen. Zumal im Zeitalter der Smartphones. Aber das steht auf einem anderen Blatt. Er blieb stehen. Sah sich um. Der Nachmittag flimmerte. Schlug auf seine Augen. Ließ ihn schwer atmen. Zwei Jungs kamen ihm entgegen. In kurzen Hosen. Sie hatten irgendwelche Karten in den Händen und waren ganz darin vertieft. Zeigten sich gegenseitig ihre Schätze. Redeten in einer Sprache, die er nicht verstand. Ohne ihn zu beachten, zogen sie vorbei. Er schaute ihnen hinterher. Lächelte fast. Ging dann weiter.

Ein Kiosk. Im Schaufenster eine Neonleuchtschrift mit blauen Buchstaben. Geöffnet. Um die Bedeutung des Wortes zu unterstreichen, stand die Tür offen. Der Laden war klein. Er trat ein. Die Kühlschränke an den Wänden hielten Getränke aller Art. Der Verkäufer hinter dem Tresen grüßte freundlich. Schwarze Locken mit eckiger Brille. Wirkte Persisch. Regale mit Süßigkeiten und Chips. Eine Eistruhe. Der Ventilator an der Decke verrührte die Luft. Vor dem Schaufenster ein Stehtisch. Daran zwei Biertrinker. Im Gespräch. Er ging auf den Verkäufer zu und bestellte ein Päckchen Zigaretten. Und ein Feuerzeug. Bezahlte und verabschiedete sich. Vermisste nach einigen Metern bereits den Ventilator. Zündete sich stattdessen eine Zigarette an. Bog in eine andere Straße. Da war ein eingezäunter Spielplatz. Nicht sehr voll. Nicht sehr spektakulär. Aber immerhin. Einige Mütter auf den Bänken unterhielten sich. Mit einem Auge bei den Kleinen. Die im Sandkasten spielten,  schaukelten oder kletterten. Was Kinder auf Spielplätzen halt so machen. Einige der Mütter trugen Kopftücher. Wie heiß muss es darunter sein? Dachte er und zog an der Zigarette. Den Klang von Kinderstimmen mochte er. Ging aber trotzdem weiter. Schnippte die Zigarette auf den Gehweg.

Ein fettes Motorrad dröhnte an ihm vorüber. Das Gefühl von Freiheit kann so unterschiedlich sein. In einiger Entfernung tauchte plötzlich ein Sofa auf. Alt und abgenutzt lehnte es an einer Hauswand. Kam näher. Und als er schließlich davor stand konnte er ein Lächeln nicht unterdrücken. Es sah gar nicht mal ungemütlich aus. Bequem sogar. Nette Polster. Ein wenig speckig aber nicht wirklich schmutzig. Er setzte sich. Zündete sich noch eine Zigarette an. Eine junge Frau mit Kinderwagen kam vorbei. Ihre Augen klebten auf dem Handy. Er schaute ihr lange nach. Wunderte sich. Zog an der Zigarette. Schüttelte den Kopf und merkte, wie langsam eine Müdigkeit in ihn schlich. Durch die Hintertür. Ohne dass jemand etwas dafürkonnte. Er warf die Zigarette weg. Hob seine Beine auf das Sofa. Schloss die Augen. Hörte noch von irgendwo ein Martinshorn verrauschen. Und schlief ein.

© Ulrich P. Hinz

 

Foto: Squirrel_photos

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