28.06.2022
Sie haben uns das heiße Wasser abgedreht. Als Kriegsvorbereitung. Auf den Winter, der kommen wird. Wenn wir für den Frieden erfrieren. In unseren Wohnungen und auf den Straßen. Dann wird man über die Leichenberge steigen können, die man uns schon bei Corona versprochen hat. Es ist eine herrliche Zeit. Eine Hand, die uns füttert, einfach abgeschlagen. Weil es sich so gehört. Wenn man in einer Gemeinschaft lebt. Und da muss man auch einmal frieren können. Weil, wir sind erzürnt. Über die vielen Ungerechtigkeiten. Die wir in diesem Moment erleben. Auf der anderen Seite halten wir aber still. Die ganzen Toten der Kriege, die unsere Verbündeten zu verantworten haben, das lässt man durchgehen. Und das ist gut so. Denn wir sind die Guten. Und alles andere ist Ruh. Im frühen Stadium eines Krieges wird noch gefeiert. Das Sterben kommt erst später als Bonus dazu. Und die Welt wird sich freuen. Wenn es gut geht, wird es ein Finale. Und dann ist die Welt endlich wieder allein. So ziehen wir munter in den Krieg. Allerdings zum Unterschied an die Vorgänger verrecken wir hier zu Hause. In unseren Wohnungen. Auf unseren Straßen. Und dann endlich bekommen die Politiker ihre Toten, nach denen sie sich so lange schon sehnen. Es wird eine herrliche Zeit. Es ist eine herrliche Zeit. Die Ruhe vor dem Sturm. Und der Deutsche regt sich auf, wenn er für eine Tankfüllung einen Kredit aufnehmen muss. Dabei wird es schon bald darum gehen, dass dieser wohlgenährte Deutsche überhaupt noch etwas zu fressen bekommt. Er wird sich wünschen, noch einmal über die Spritpreise schimpfen zu können. Aber dafür ist es dann zu spät. Es ist Krieg. Und es wird erst gesiegt, dann gemeckert. So war das immer schon. Und dass die Feinde wieder dieselben sind, ist reiner Zufall. Das hätte man kommen sehen können. Aber darüber müssen wir uns keine Sorgen machen. Denn wenn die Bomben erst einmal über unseren Köpfen einschlagen, wird man erkennen, dass man sich geirrt hat. Mit allem. Nur ist es dann zu spät. Sie werden über uns kommen, wie die göttlichen Plagen. Und natürlich hätten wir das verhindern können. Aber wir wollten es nicht. Was nützt die Geschichte, wenn man nicht draus lernt. Und in diesem Fall geht es ins Finale. Wie bei einer Weltmeisterschaft. Und wir jubeln und schreien. Grölen und sabbern. Und das Bier wird uns aus den Kehlen laufen. Und der Stadionsprecher wünscht uns alles Gute. Wir werden das schaffen. Und ein Spiel kann man auch schon einmal verlieren. Das ist zwar traurig. Aber normalerweise kommt dann ein Neues. Nur in diesem Fall könnte es anders ausgehen. Weder noch. Und das ist ein herrliches Gefühl. Damit können wir leben. Wenn auch nur, für einen kurzen Moment. Und unsere Kinder gehen mit einem Lachen. Sie werden die ersten sein, die in den Wohnungen erfrieren. Man hätte reden können. Aber man wollte nicht. Und das hat alles seine Berechtigung. Im Krieg und in der Liebe sind bekanntlich alles Waffen erlaubt. Und was für das eine gilt, ist dem anderen recht und billig. Und darüber hinaus warten wir noch. Alles ist ganz still. Wir fühlen die Stille formlich. Und das kann schon einmal darüber hinwegtäuschen, dass bald Schluss ist. Corona war nur ein Manöver. Aber der Krieg wird uns wieder aufwecken. Und das ist gut. Das wird für ein lustiges Erwachen sorgen. Nur, dass es dann zu spät ist. Aber darum sollte man sich keine Sorgen machen. Und die macht man sich auch nicht. Und unsere Straßen haben viel Platz. Und die Eisleichen in den Wohnungen können sich gemütlich auf die letzte Reise begeben. Wir hätten reden können. Aber wir wollten nicht. Und was für unsere Gesellschaft an Geld fehlte, für den Krieg war es gleich da. Kaum eine Sekunde danach. Und das sagt doch alles. Viertel Stunde vorbei. Gott sei Dank.
© Ulrich P. Hinz
Foto von Ekaterina Belinskaya