16.05.2018
Der Frühling blühte aus. Heute hatte es immer wieder geregnet. Streckenweise Sonne. Kalter Zigarettenrauch stand im Zimmer. Sie hing auf dem Sofa. Hatte sich dumm gesoffen. Dumm gesoffen und fett gefressen. Der Fernseher rieselte. Geschminkte Scheinheiligkeit und verstaubte Realität in einer krankhaften Symbiose. Ihre Augen leicht geöffnet. Überall lag Müll. Der Atem ging schwer. An den Wänden ein paar Kinderfotos. Mit Stecknadeln befestigt und leicht vergilbt. Eine Restsonne kroch durch die schmierigen Fenster. Sie klebte in einem speckigen Nachthemd. Mit Flecken überzogen wie ein altes Korallenriff. Der aufgedunsene Körper schlummerte in einer gleichmäßigen Betäubung vor sich hin. Im Fernseher wurde gelächelt. In der rechten Hand das Wodkaglas. Halbleer. Manchmal summte sie. Kurz und abgehackt. Melodien anderer Zeiten. Lächeln unter Zwang. Abgestorbene Körperbeherrschung. Fremdgesteuert ohne es zu ahnen. Ließ sie ihrer Blase freien Lauf. Eine angenehme wohlige Wärme. Und sie lächelte. Wie im Fernsehen. Glückshormone finden Wege. Die Augen waren nun fast geschlossen. Aber durch die verbleibenden Restspalte sah sie etwas. Und ein fremder Duft zog in ihre Nase. Ein Duft von unerträglicher Schönheit. Teuer und exklusiv. So müssen Götter riechen dachte sie und schloss die Augen. Im Fernseher lief Werbung. Der Atem hörte auf.
© Ulrich P. Hinz
Foto von Photography Maghradze PH