Gedankenschleuder (03.03.2022)

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  • Beitrags-Kategorie:Gedankenschleuder
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03.03.2022

Ich bin ein Wahrsager. Der lügt. Ich bin ein Klarsager, der durch seine verschränkten Gedanken jeden anderen an der Nase führt. Was das heißt, kann ich nicht sagen. An der Nase führen. An welcher Nase. An der von Pinocchio? Oder die von Putin. Stalin. Hitler. Der Graf von Monte Christo vielleicht. Es ist mir egal. Es ist mir scheiß egal. Aber die gegebenen Umstände verlangen äußerste Disziplin. Und die habe ich nicht. Vielleicht in bestimmten Dingen. Aber wenns um das Abrechnungsbezogne irgendwas geht, fehlt mir dafür das Gespür. Und das kann ich kaum glauben. Liegen doch die Gedanken schon lange in irgend einem Lager. Und drängen sich aneinander. Kuscheln im Dunkeln der Ewigkeit. Wobei das Wort eine glatte Übertreibung ist. Zwangsläufig sein muss. Warum auch nicht. In den liegen gebliebenen Resten einer Erinnerung, die meistens falsch sind, bleibt es dunkel. Es zählt der Moment. Das ist natürlich eine unbedeutende, kleine, Lächerlichkeit. Aber ich habe sie gesehen. Und ich weiß. Es zählt nur der Moment. Der ganze Rest verfolgt uns wie die Gespenster. Vielleicht sogar die von Ibsen. Aber wenn du mit dem Biberkopf schon einmal in Berlin warst. Und die ein oder andere Molle gesoffen hast, kann dir alles passieren. Du und der Rest der Welt. Eine stille, schwer zu leugnende Gemeinschaft. Ohne gemein und Schaft. Aber das steht auf einem anderen Gewehr. Weil die Kriege ja wieder munter werden. Aber sie waren nie wirklich still. Nur haben sie immer auf der Seite der Befreier stattgefunden. Aber das ist bloß ein Ammenmärchen. Das erzählt man den Kindern, damit sie gut einschlafen. Besser als bei den Grimms. Aber darüber mache ich mir keine Gedanken. Alle haben Schiss vor der großen Katastrophe. Aber die hat bekanntlich schon vor geraumer Zeit begonnen. Vielleicht sogar noch vor dem Urknall. Wundern würde es mich nicht. Wobei mich vieles tatsächlich anrührt. Die ganze Hetze der modernen Zeit. Das Ausschließen einer bestimmten Gruppe aus der Solidaritätsgemeinschaft. Damit geht alles. Dass das schon damals ging, haben sie nicht auf dem Schirm. Könne man nicht vergleichen. Seit geraumer Zeit komme ich in kaum einen Laden. Bedrohe die Umwelt und werde wie ein Kälbchen mit lustigen Knipsereien versehen. Das schadet nicht. Wir sind der Schädling. Daran wird Deutschland zugrunde gehen. Aber nur in der Zeitung. Und im TV. In der normalen Welt bleibt das ein Gerücht. Wenn auch ein Gutes. Aber wie sagte Kästner. Es gibt nichts Gutes. Und der Rest spielt keine Rolle. Denn wir sind die Bösen. Und die Guten stehen in Schlangen vor den Fressbuden. Ich hab sie gesehen. Meterlang. Kilometer werden folgen. Wenn der Urvater aller Dinge erst einmal das Ruder übernimmt. Nur weil man sich nicht vorstellen kann, dass es Kräfte gibt, denen alles andere egal ist. Nur weil man sich das nicht vorstellen kann? Glaubt denn wirklich jemand, wenn man 1933 jemandem erzählt hätte, was alles passiert, die hätten sich das vorstellen können? Echt? So naiv und doch gut. Den lieben Gott wirds freuen. Die Kinder werden euch irgendwann in eure Ärsche treten. Aber dann ist es lange zu spät. Das kann vorkommen. Soll sogar in den besten Familien vorkommen. In denen, die auf jeden Fall gut sind. Besser sogar. Unaussprechlich wunderbar. Und dann kommt das große Kotzen. Der warme, weiche Brei, der die Erinnerung mit Scheiße verkleistert. Wie immer schon, wird die Geschichte von den Siegern geschrieben. Und nicht von so üblen Subjekten wie mir. Viertel Stunde vorbei.

© Ulrich P. Hinz

 

Foto von Ekaterina Belinskaya

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