Kapitel 11: Affenstall, billiger Whiskey und Jackpot

(Affenstall, billiger Whiskey und Jackpot)
Noah saß am Tisch und kaute auf dem Tomaten-Mozarella-Sandwich. Der Cursor im Laptop blinkte. Ein Schluck Kaffee mischte sich in seinem Mund mit dem Sandwich. Er liebte das. So ein blinkender Cursor kann dein Freund oder dein Feind sein, dachte er. Vielleicht muss man sich einfach nur entscheiden. In der Wohnung unter ihm lachte eine Frau. Vielleicht sogar die Frau, die ihm vorhin im Treppenhaus begegnet war. Aber warum sollte sie bis in den 5. Stock laufen, wenn es doch einen Aufzug gab. Möglicherweise hatte sie Angst vor Aufzügen. Das soll’s ja geben. Oder sie achtete ganz einfach auf ihre Linie. Die Wände in diesem Haus waren gar nicht mal so dünn. Viel hörte man nicht. Aber auch gute Wände konnten nicht alles verbergen. Und ein Frauenlachen um diese Zeit ging dann schon mal durch.
Seine Hand spielte auf der Tastatur. Ein paar Buchstaben tauchten im Bildschirm auf. Sie ergaben keinen Sinn. Aber in Noahs Gehirn tanzte eine Horde wilder Affen. Und die würden irgendwann ein Buch für ihn schreiben. Eine Theorie besagte, dass dabei sogar ein Shakespeare drin war. Noah sah ein riesiges Schreibbüro. Eine kaum überschaubare Fläche voll mit Tischen in Reih und Glied. Und auf jedem dieser Tische stand eine Schreibmaschine. Und daran saßen die Affen. Sie trugen dreiteilige Anzüge und tippten in einer Lautstärke, dass es Noah in den Ohren klingelte. Viele von den Affen rauchten, aber das störte ihn nicht. Und dass man heute fast ausschließlich am Computer schrieb, war ihm auch egal. Die gute alte Zeit der Schwarz-Weiß-Romane. Der einsame Schriftsteller, der in einer versifften Bude auf seiner Schreibmaschine hämmerte. In einer Zeit, wo die Kerle noch Kerle waren. Kerle in Schwarz-Weiß. Privatdetektiv Frank Johnson zum Beispiel.
Es war ein Abend im August. Frank Johnson saß hinter seinem Schreibtisch. Die Flasche Whiskey vor seiner Nase war halbvoll. Genau wie er. Wenn die Geschäfte nicht so liefen, merkte man das als Erstes am Whiskey. Aber alles, was ihn daran interessierte, war die Farbe und die Prozentangabe auf der Flasche. Die Wirkung ist immer die gleiche wenn auch nicht dieselbe. Der Blick auf die Eingangstür ließ ihn grinsen. In schwarzen Lettern stand da sein Name auf dem Milchglas. Spiegelverkehrt. Und darunter stand groß und deutlich Privatdetektiv. Sein Blick wanderte zurück auf die Flasche, als es plötzlich klopfte.
In dem kleinen Büro war es heiß wie in der Hölle. Ein dicker Schweißtropfen rutschte an seiner Stirn herunter. Er verstaute die Flasche und das Glas in einer Schreibtischschublade und wischte den Schweiß mit der Hand fort.
»Herein.«, sagte er mit einer Stimme, die nach Whiskey und Zigaretten klang. Er mochte seine Stimme. Fand, dass sie taff und männlich klang.
Die Tür öffnete sich mit einem leisen Quietschen. Und herein kam diese Frau. Sie trug ein rotes Kleid und Johnsons Blicke klebten wie in einer Fliegenfalle auf ihr. Sein Mund stand weit offen und ein klarer Gedanke wollte sich einfach nicht einstellen. Und die Bilder, die durch sein Gehirn schossen, waren alles andere als jugendfrei.
»Mr. Frank Johnson?«, fragte sie mit einer Stimme, die durch seinen ganzen Körper vibrierte. Er versuchte, sein coolstes Lächeln in ihre Richtung zu schießen.
»Mr. Frank Johnson, ganz zu ihren Diensten.«, sagte er und seine Hand zeigte auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch.
Sie setzte sich mit der Eleganz eines Pornostars. Johnsons Mund wurde feucht, als sie das eine Bein über das andere schlug und ihre Brüste fast aus dem Kleid quollen.
»Was kann ich für Sie tun? Miss ….?«
»Mrs. Norma Jeane«, sagte sie und schickte Johnsons Lächeln zurück an den Absender. Sein Herz holperte einmal kräftig.
»Möchten Sie etwas trinken?«, fragte er und hatte irgendwie das Gefühl, dass seine Stimme ihn im Stich ließ.
»Im Moment nicht. Danke.«
»Ist es OK, wenn ich …?«
»Natürlich.«, sagte sie, ohne eine Miene zu verziehen. Johnson öffnete die Schublade, holte Glas und Flasche raus und goss ein.
»Also, weswegen sind sie hier?«, fragte er und nippte am Glas.
»Mr. Johnson, ich bewege mich in sehr einflussreichen Kreisen. Und in letzter Zeit habe ich das Gefühl, dass man mir nachstellt. Ich fühle mich beobachtet und verfolgt. Egal wo ich bin, es hört einfach nicht auf.«
»Wie lange geht das schon?«, fragte er.
»Vielleicht drei oder vier Wochen. Ganz sicher bin ich mir nicht. Aber ich muss wissen, was dahinter steckt. Ist es real oder bin ich vielleicht verrückt?«, sagte sie mit einem leichten Zittern in der Stimme.
»Und ich soll das für Sie rausfinden?«, fragte er und runzelte die Stirn.
»Deswegen bin ich hier.«, sagte sie und zupfte ihr Kleid zurecht.
Johnson sah sie an. Eine echte Schönheit. Aber ihre Angst konnte er riechen. Und das war bei der mächtigen Parfümwolke, die wie eine Dunstglocke um sie herum waberte gar nicht so leicht. Aber er war ein Profi. Lange genug im Geschäft, um zu wissen, wann die Kacke wirklich dampfte. Und diese hier dampfte wie eine Sauna bei Vollmond. Sie öffnete ihre kleine Handtasche, holte einen Umschlag heraus und legte ihn auf den Tisch.
»Das hier sind fünftausend Dollar, Mr. Johnson.«, sagte sie und sah ihn fest an, »Wenn die Sache geklärt ist, warten weitere Fünftausend. Wie klingt das für Sie?«
Johnson wollte Luft holen. Aber es ging nicht. Jede einzelne Zelle seines Körpers tanzte gerade Rock’n Roll. Jackpot. An so viel Kohle konnte er sich gar nicht mehr erinnern. Und das hier fühlte sich richtig gut an. So muss sich ein kleiner Zocker in Las Vegas fühlen, wenn er mit der ersten Münze des Abends seinen Lieblingsautomaten füttert und der ohne große Zicken den Hauptgewinn ausspuckt.
»Das klingt, äh, angemessen.«, sagte er und rückte seine Krawatte zurecht. Die Luft wurde dünner.
»Alles in Ordnung mit Ihnen? Sie sehen sehr blass aus.«, sagte sie und wirkte echt besorgt.
»Nein, nein, alles OK, es geht schon. Ich krieg nur schwer Luft.« Er fasste sich an die Brust.
»Gar keine Luft …«, röchelte er und mit dem Gefühl, das man hat, wenn eine Abrissbirne einen voll erwischt, ging das Licht aus.

Die Affen in seinem Gehirn schrien vor Lachen. Wie hatte Colette gesagt, er lacht immer mit dir, niemals über dich. Aber galt das auch für Affen in einem Gehirn? Noah schaute auf die Buchstaben und schmunzelte. fdswa, das stand da. Schwarz auf weiß. Die Ausbeute eines Vormittags. Er löschte es und klappte den Laptop zu. In der Brötchentüte steckte noch das Pizzabrötchen. Er holte es raus und biss herzhaft rein. Echt lecker diese Teile. Wenn auch sehr fettig. Aber im Urlaub durfte es auch schon einmal etwas fettiger sein. Wenn nicht dann, wann überhaupt? Noah grinste und biss erneut in das Brötchen. Er kaute und kaute und an seinen Fingern glänzte ein lustiger Fettfilm.

 

© Ulrich P. Hinz

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